ULRIKE KOLB | Die Vollzähligkeit der Sterne

Eröffnung: Freitag, 12.02.2016, 19 Uhr

Ausstellung: 13.02.–12.03.2016

Finissage: Samstag, 12.03.2016, 15 Uhr

 

Der Titel der Ausstellung Die Vollzähligkeit der Sterne ist gleichzeitig der Titel einer Aufsatzsammlung des Philosophen Hans Blumenberg. Blumenberg sah in dieser Formulierung einen „Dichtertadel“ gegen Goethe, den er als „die leise und unausdrückliche Anmahnung von Nüchternheit gegen Überschwang, wenn nicht Schwärmerei“1 beschrieb. Zwischen genau diesen Polen, dem der Nüchternheit auf der einen Seite und dem der Romantik bzw. der Sentimentalität auf der anderen Seite, bewegen sich auch die Bilder Ulrike Kolbs, die sie in dieser Ausstellung präsentiert.

 

Ulrike Kolb zeigt uns Innenräume von Universitäten, Bibliotheken und Museen. Die ausgewählten Räume eint, dass sie der Forschung, der Lehre und der Vermittlung von Wissen dienen. Die Raumansichten werden assoziativ mit Fotografien von Ausstellungsobjekten verbunden. Gemeinsam ist den fotografierten Räumen und den musealen Inszenierungen, dass ihre Architektur und Gestaltung aus vergangenen Tagen stammen. Als einen Impuls zu dieser Arbeit beschreibt Ulrike Kolb den Wunsch, diese Räume und Objekte fotografisch festzuhalten, sie zu bewahren, bevor sie für immer verschwinden.

 

Für Ulrike Kolb ist das Besondere an den wissenschaftlichen Räumen und musealen Objekten die vielfältigen Bezüge, die sie eröffnen.

So verweisen die Objekte, als Fundstücke aus einer anderen Zeit, immer auf den Zusammenhang, aus dem sie ursprünglich stammen. Zugleich gibt die Inszenierung der Objekte Auskunft über die Praxis des Zeigens und den Wissensstand ihrer Zeit.

 

Wissenschaftliche Modelle bilden die Realität ab, indem sie die Fülle von Informationen auf bestimmte Aspekte reduzieren. So wird im Planetarium der Sternenhimmel in das Innere einer Kuppel projiziert. Der Projektor kann die Bewegungen der Sterne zu einer beliebigen Zeit und für einen beliebigen geografischen Ort darstellen. Die uns unendlich erscheinende Zahl an Sternen wird im Planetarium zählbar.

 

Trotz festlicher Beleuchtung wirken Ulrike Kolbs Innenräume unbelebt. Spuren der wissenschaftlichen Arbeit oder des studentischen Alltags fehlen. Lesepulte, leere Aushängekästen oder eine Türnummerierung verweisen zurückhaltend und unspezifisch auf die Verwendung der Räume.

 

Wie auch schon in vorherigen Serien schafft Ulrike Kolb feine, poetische und doch strenge Kompositionen, die den Betrachter stutzen lassen. Ob es sich um gebaute Modelle, um gemalte Bilder oder um Fotografien handelt, ist teils nicht abzulesen. Gerade in diesem Zwischenspiel liegt der Reiz der Arbeiten.

Die Museumspräsentationen selbst greifen Gestaltungsmittel auf, die wir aus der bildenden Kunst kennen, und eröffnen so ein Feld für kunsthistorische Verweise.

So wird eine museale Präsentation von bronzezeitlichen Ölgefäßen in Ulrike Kolbs malerischen Fotografien zu einem Stillleben von Morandi.

 

Anna Lehmann-Brauns

 

1.Blumenberg, Hans. Die Vollzähligkeit der Sterne, Frankfurt am Main 2011, S. 17

 

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