OPEN SPACE 6: MATTHIAS HAMANN, CHRISTIAN KUHN | Zur sexuellen Identität schwuler Männer

Eröffnung: Samstag, 6. März 2010, 19.00 Uhr
Ausstellung: 10. März bis 1. April 2010
Kuratiert von Ingo Taubhorn
Wir freuen uns mit der Ausstellung Zur sexuellen Identität schwuler Männer unsere Reihe Open Space mit eingeladenen Kuratoren fortzuführen. Ingo Taubhorn (Haus der Photographie, Hamburg) kuratiert die Ausstellung mit Arbeiten von Matthias Hamann und Christian Kuhn. 

Mitte der 1980er Jahre erschien die Monographie „Mensch Mann“ von Ingo Taubhorn, eine fotografische Bestandsaufnahme männlicher Identität. In den darauf folgenden Jahren entwickelte sich im Gegensatz zu den inszenierten Aktporträts die Werkgruppe „VaterMutterIch“, angelegt als work in progress, die unmittelbare Standbilder aus Taubhorns Wirklichkeit zeigen und als eine Art Archiv immer wieder neu für Präsentationen zusammengestellt wurden. Neben der neuen formalen Herangehensweise, die zwischen Fiktion und Dokumentation bewusst verunsichert, erweiterte sich sein Thema Identität um den Begriff der „Familie“. 

Der Künstler und Kurator Ingo Taubhorn lädt nun zwei Berliner Fotografen der jungen Generation ein, sich erstmals in einem gemeinsamen Ausstellungsraum zu begegnen. Diese Begegnung ist gleichzeitig Dialog und Experiment und stellt mit Matthias Hamann und Christian Kuhn zwei Künstler vor, die in ihren fotografischen Arbeiten sich ebenfalls mit der sexuellen Identität von Menschen, die ihnen vertraut sind, beschäftigen. Beide schöpfen unmittelbar aus ihrer eigenen Erfahrung und folgen dabei weniger einem eindeutigen dokumentarischen, aufklärerischen Stil, sondern oszillieren zwischen persönlichem Bekenntnis und poetisch verklärter Wahrnehmung. 

„Immer wieder habe ich Menschen kennen gelernt, die eine ganz besondere Aura hatten, sich gerne selbst inszeniert haben, zwischen den Geschlechtern tanzen. Ich hatte immer das Gefühl, dass diese Menschen ganz nah bei sich sind, vielleicht auch weil sie sich intensiver als andere mit ihrer sexuellen Identität auseinander gesetzt hatten,“ sagt Christian Kuhn über seine Werkgruppe „Outside The Margin“. Die Fotografien von Matthias Hamann, so Arne Linde, zeigen wiederum den Moment, in dem die Illusion porös wird: idealtypische Inszenierungen von körperlicher Schönheit und sexueller Identität, von Männlichkeit, Weiblichkeit oder irgendwas dazwischen. 

In einer losen, aber sehr bewusst ausgewählten Ordnung, werden die vorwiegend farbigen Fotografien als Wandinstallation komponiert, treffen unvorbereitet aufeinander, verwischen nicht nur gradlinige Geschichten, sondern manchmal auch die Eindeutigkeit der Autorenschaft, damit der Betrachter am Ende seinen eigenen Projektionsraum öffnen kann. 

Der Titel der Ausstellung soll bewusst an eine gesellschaftliche Auseinandersetzung, die Anfang der 1980er Jahre begonnen wurde und durch die zunehmende Liberalisierung von Lesben, Schwulen, transsexuelle und intersexuelle Menschen heute fast als unzeitgemäß gedeutet werden kann, erinnern. 

Da heute die allgegenwärtige Ästhetik von Fotografie, Fernsehen, Kino, Musikvideos, Werbung und anderen modernen Medien wie dem Internet häufig bewusst oder unbewusst die Art von Individualität und körperlichem Ausdruck stärker bestimmt als in den 1980 und 1990 Jahren, stellt sich zu recht die Frage nach den Defiziten authentischer „realer“ Erfahrung. Denn gelegentlich lässt sich die Persönlichkeit nur noch als Ergebnis von massenmedialer Rezeption und Konstruktion, als „geliehene Identität“ begreifen. 


Kurzbiografien 

Matthias Hamann (1974 in Leisnig)
2002 bis 2009 Studium der Fotografie an der „Hochschule für Grafik und Buchkunst“ in Leipzig bei Prof. Timm Rautert und Prof. Christopher Muller. 2009 Diplom Bildende Kunst im Studiengang Fotografie an der HGB Leipzig. Letzte Publikation: „Rauschen“ bei spector books, 2009 in Leipzig erschienen, Auflage 500.

Ausstellungen (Auswahl) 
2009 „Rauschen“; ASPN Galerie Leipzig (E) und Publikation
2008 „pilot projekt 4“ Walzwerk, Düsseldorf (G)
„Dreams of Better Life“, Tapetenwerk Leipzig (G)
2007 „Oberflächen des Lebens“ HGB Galerie, Leipzig (G)
2006 „Eye against I“ ASPN Galerie, Leipzig (E)

Weitere Info:
www.matthiashamann.net 

Christian Kuhn (1982 in Speyer) 
2003 bis 2009 Student an der Fachhochschule Dortmund bei Prof. Susanne Brügger
2006 Teilnahme am Stuttgarter Fotosommer mit der Gruppe "on the move"
2007 Praktikum und Assistenz bei dem Magnumfotografen Martin Parr in London, unterstützt durch das FH Dortmund Stipendium
2008 Assistenz im Atelier Thomas Struth in Düsseldorf 
Seit Oktober 2009 als Videojournalist für Timm.TV tätig und als freischaffender Fotodesigner in Berlin. 

Weitere Info:
www.christiankuhnphotography.de

Ingo Taubhorn (1957 in Dortmund) 
1980 bis 1985 Studium Visuelle Kommunikation FB Fotografie und Film in Dortmund. Ausstellungen und Publikationen als Künstler im In- und Ausland (u.a. mit den Werkgruppen „Mensch Mann“, „VaterMutterIch“, „Die Kleider meiner Mutter“). Seit 1988 freie kuratorische Tätigkeiten für das Museum Folkwang, Essen; Pat Hearn Gallery, New York; Neue Gesellschaft für Bildende Kunst, Berlin. Seit 2006 Kurator des Hauses der Photographie in den Deichtorhallen Hamburg. Mitglied der Deutschen Fotografischen Akademie. Lehraufträge für Fotografie und Bildmedien an der Hochschule der Künste Bremen und Fachhochschule Bielefeld. Aktuelle Publikationen als Herausgeber: Lillian Bassman & Paul Himmel. Die erste Retrospektive, Heidelberg 2009; VETO - zeitgenössische Positionen in der deutschen Fotografie, Hamburg 2010. Lebt in Hamburg, Berlin und Königsberg.

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